Asylreform

EU-Innenministertreffen

Stellungnahme von mit Brand New Bundestag (BNB) assoziierten sowie zusätzlichen, in der Sache verbündeten Abgeordneten zur geplanten Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems

Menschen fliehen vor Krieg und Gewalt. Sie fliehen, weil sie genauso wie wir ein friedliches, lebenswertes und würdevolles Leben führen wollen. Das Recht auf Asyl ist ein Menschenrecht und zivilisatorischer Erfolg. Die Politik der Mauern und Zäune ist nicht unsere Politik.

Die Europäische Union hat im letzten Jahr in einem beispiellosen Akt der Solidarität über 3,8 Millionen Menschen aus der Ukraine temporären Schutz geboten. Die Bundesregierung hat die erleichterte Aufnahme federführend vorangetrieben, und neben Tschechien, Polen und den baltischen Staaten hat Deutschland mit 967.715 Menschen einem großen Teil der Schutzsuchenden Zuflucht geboten. Die meisten weiteren Schutzsuchenden stammen aus Syrien, Afghanistan, der Türkei und Venezuela. Auch hier steht Deutschland mit knapp einem Viertel der Erstanträge als zentrales Aufnahmeland bereit.

Wir begrüßen die Solidarität der EU mit Schutzsuchenden aus den verschiedenen Herkunftsländern. Gleichzeitig ist es aber auch Teil der Realität an den europäischen Außengrenzen, dass Menschen der Zugang zum Asylrecht verweigert wird und Menschen sich auf lebensgefährliche Routen begeben, oft mit tödlichem Ausgang.

Seit über 20 Jahren wird daran gearbeitet, das Gemeinsame Europäische Asylsystem zu reformieren. Eckpfeiler einer solchen Reform sind die gleichen Bedingungen und Standards, unter denen Geflüchtete ihr Recht auf Asyl erhalten. Gleichzeitig ist es klar, dass die EU-Mitgliedsstaaten untereinander solidarisch sein müssen. Das heißt: Die Verteilung von Geflüchteten innerhalb Europas muss besser werden, sodass einzelne Staaten ihren Verpflichtungen nachkommen können. Zudem müssen die Rechte der Geflüchteten europaweit geachtet und gewahrt werden. Jede Reform muss allen drei Zielsetzungen gleichermaßen gerecht werden.

Vor dem Hintergrund des anstehenden Rats der EU-Innenminister:innen teilen wir die Sorge vieler Menschen, dass die Vorschläge für ein neues Gemeinsames Europäisches Asylsystem das Recht auf Asyl abschwächen könnten.

  • Im Rahmen der Asylverfahrensverordnung drohen für Menschen aus Ländern mit geringer Schutzquote verpflichtende Asylgrenzverfahren. Wir sehen die flächendeckende Einführung von Grenzverfahren kritisch, da sie haftähnliche Zustände befördern, zivilgesellschaftliche und anwaltliche Unterstützung erschweren und den Rechtsschutz einschränken. Konkret sollen Rechtsbehelfe gegen Rückführungsentscheidungen keine automatische aufschiebende Wirkung haben. Das heißt: Menschen können abgeschoben werden, obwohl das Gerichtsverfahren noch nicht beendet worden ist. Minderjährige Geflüchtete und ihre Eltern dürfen keinesfalls in solch ein Grenzverfahren kommen.
  • Die EU darf sich der eigenen asylpolitischen Verantwortung nicht durch die Ausweitung des Konzepts der sicheren Drittstaaten entziehen. Wenn Menschen die Einreise über einen „sicheren Drittstaat“ vorgeworfen wird, wird ihr Asylantrag nicht mehr inhaltlich geprüft. Nicht mehr der Fluchtgrund, sondern nur noch der Reiseweg entscheiden über den Ausgang des Verfahrens. Deshalb darf die EU nur Staaten zu sicheren Drittstaaten erklären, die die Genfer Flüchtlingskonvention vollumfänglich anwenden. Zudem muss eine enge Verbindung zwischen Geflüchteten und Drittland bestehen – die bloße Durchreise darf nicht ausreichen. Außerdem darf die Einstufung der Verbindung nicht aufgeweicht werden, um Menschen an einem Asylantrag zu hindern. Außerdem treten wir gegen die Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten und gegen Asylabkommen mit menschenrechtlich fragwürdigen Partner-Staaten ein.
  • Das Europäische Asylsystem funktioniert nur mit einer guten und verbindlichen Verteilung. Fast 4,7 Millionen Geflüchtete – wie im Jahr 2022 – können einzelne Staaten an die Aufnahmegrenzen bringen – nicht aber einen ganzen Kontinent. Deshalb muss im Rahmen der Reform sichergestellt sein, dass alle EU-Staaten ihrer Verantwortung für die Registrierung und menschenrechtskonforme Aufnahme und Unterbringung nachkommen und sich möglichst viele Staaten an einem verbindlichen europäischen Verteilsystem beteiligen.
  • Über alle Reformmaßnahmen hinweg muss der Zugang zum Asylsystem und die Einhaltung der Menschenrechte faktisch durchgesetzt werden. Noch so hohe Standards des europäischen Asylsystems sind hinfällig, wenn Schutzsuchende an der Erreichung der europäischen Außengrenzen gehindert werden. Der Kampf gegen Pushbacks gehört daher ebenso zu unseren politischen Zielen wie der Einsatz für eine gemeinsame europäische Seenotrettung. Ein effektives Menschenrechtsmonitoring, die konsequente Ausrichtung der EU-Grenzagentur Frontex an den Menschenrechten, die Verfolgung aller Rechtsverstöße an den europäischen Außengrenzen und die Stärkung der Seenotrettung bilden daher die Grundlage für ein funktionierendes europäisches Asylsystem.

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